II. KAPITEL [A]

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN BESIEDLUNG SÜDOSTEUROPAS

a) Einfiihrung

Um den Werdegang der deutschen Siedlungsaktionen im gesamten Südosten zu überblicken, muß eine Vielfalt von Themen erörtert werden, deren zeitliche und räum­liche Eingrenzung schwierig ist. Zeitlich wohl deshalb, weil mehr als ein Jahrtausend ver­schiedener historischer Vorgänge, deren Ursachen und Zusammenhänge vom Mittelalter bis zur Gegenwart berücksichtigt werden müssen. Räumlich aber handelt es sich um ein sehr ausgedehntes Gebiet, welches das Karpatenbecken, den Mittel- und Urfterlauf der Donau bis in den Krainischen Karst umfaßt. Es erreicht ferner die Küste des Schwarzen Meeres, die beiden Ufer der Wolga, den Fuß des Kaukasus und die Krim.

Wenn wir in diese Abhandlung auch andere außerhalb des donauschwäbischen Siedlungsraumes liegende deutsche Ansiedlungen mit einbeziehen, so hat es den Zwek, das Augenmerk unserer Landsleute und Leser darauf zu lenken, daß wir diesen Volksgrup­pen herkunftsmäßig sehr nahe stehen. Durch das teilweise gemeinsame Ursprungsgebiet, nämlich Südwestdeutschland, haben wir Donauschwaben in denjenigen Volksdeutschen von Galizien, Bukowina, Bessarabien, der Wolga, Kaukasus und der Krim ein Brudervolk, also denselben Menschenschlag. Wie unsere Ahnen, so leisteten auch diese Kolonisten einen großen Beitrag zum Wohlstand und Kultur ihrer Länder. Das traurige Los der Verfolgung, Vertreibung und Deportation machte uns auch zu Schicksalsgefährten.

Wir wollen uns hierbei nur auf die wesentlichen Phasen und das teritoriale Ausmaß dieser Südostkolonisationen beschränken. Alle diese deutschen Siedlungsgebiete haben im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Regierungsdynastien, Staatengebilde bzw. Nach­folgestaaten erlebt, die ihre politische Geographie sowie das Auf- und Ab in dem vielfach tragischen Schicksal des Südostdeutschtums mitbestimmten.

Das 18. und 19. Jahrhundert der großangelegten deutschen Siedlungsaktionen brachte Tausende von deutschen Kolonisten in das Karpatenbecken als auch in andere weiter ost­wärts liegende Regionen.

Neben der Habsburg-Monarchie hat sich auch das Zarenreich Russland, allerdings in separaten Siedlungsaktionen, in der Ansiedlung von Deutschen betätigt.

Den I. Weltkrieg, in den sie beide verwickelt wurden, haben die beiden Vielvölker­staaten nicht überdauert: Das Zarenreich ging in der Oktoberrevolution 1917 unter, die Donaumonarchie zerfiel in mehrere Nationalstaaten als Folge der schmählichen Friedens­diktate von Saint-Germain und Trianon vom 10. Juni 1921.

Für die Deutschen, die sich auf ihren Gebieten im Laufe der Jahrhunderte niedergelassen hatten, wurde diese Entwicklung gefahrlich.

b) Geschichtlicher Rückblick

Wie schon im I. Teil erwähnt wurde, war der Donauraum bereits von frühester Zeit ein Tummelplatz verschiedener Völker und Stämme. Wir wollen hier die Geschichte und Bedeutung des vortürkischen Deutschtums, sowie die frühgeschichtliche Entwicklung des Donau-Karpatenraumes wenigstens kurz streifen.

Aus dem Dunkel der Frühgeschichte tauchen als erste bekannte Völker im Donauraum die Daker und Jazygen und unmittelbar vor der Zeitwende auch bereits einige Ger­manenstämme auf. Zur Zeit der Geburt Christi drangen auch die Römer in den pannonischen Raum ein. Nach 200-jähriger ständiger Bedrohung unterjochten sie die bitteren 'Widerstand leistenden germanischen Volksstämme. Sie brachten dem Donaubecken Auf­schwung in Wirtschaft, Handel, Verkehr und Kultur. Mit dem 3. Jahrhundert endete die Römerherrschaft. Germanen traten erneut an ihre Stelle. Diese wurden aber um 375 von Attilas Reiterhorden überrannt. Auch das Hunnenreich zerfiel nach Attilas Tod rasch. Durch die mit den Hunnen verwandten Awaren verloren die Germanen schließlich ihre langanhaltende Dominanz in der Region. In die von den Germanen entblößten Gebiete sickerten die Slawen ein. Erst als der Frankenkönig Karl der Große das Awarenreich zerschlug, kam um 791 das ganze Gebiet bis nahe Belgrad zu seinem Reich als "Pannonische Mark".

Auf der Flucht vor den Petschenegen tauchten knapp 100 Jahre später die madjarischen Reiterstämme in Pannonien auf. Auf der Suche nach Weideland für ihre Herden, besetz­ten sie zunächst nur die spärlich bevölkerte Tiefebene zwischen Theiß und Donau. Von hier aus unternahmen sie ihre gefürchteten Raubzüge gegen Westeuropa und Südeuropa. Die vernichtende Niederlage 955 auf dem Lechfelde bei Augsburg war von existenzieller Bedeutung und ein heilsames Ende der Beutezüge für das Madjarentum. Nicht nur daß sie die halbwegs nomadisierende Lebensweise aufgaben und sich der abendländischen Kultur anzupassen versuchten, sie wurden auch zum Christentum bekehrt. König Stephan I., der Heilige, heiratete im Jahre 1000 die bayerische Prinzessin Gisela und war hernach bestrebt, Ungarn nach deutschem Muster, mit deutscher Hilfe aufzubauen. Die im Gefolge Giselas angekommenen Mönche, Ritter, Handwerker und andere haben zum Aufbauerfolg des ungarischen Staates entscheidend beigetragen.

1. Erste planmäßige Ansiedlungen von Deutschen im Stephansreich vor der Türkenherrschaft

Die erste planmäßige Ansiedlung von Deutschen erfolgte im 12. Jahrhundert als sich eine größere Anzahl von deutschen Bauern, handwerkern und Kaufleuten in Ungarn niederließ und zwar in der Zips, in Siebenbürgen, in der Umgebung von Buda/Ofen und Pest, in anderen Teilen Transdanubiens sowie in Westungarn. Die westungarischen Siedingen gelten allerdings als Ausläufer des binnendeutschen Sprachraumes.

Es sei hierzu bemerkt, daß Ungarn seinerzeit ein wirtschaftlich noch nicht erschlos­senes Land war mit unbegrenzten Möglichkeiten. Diese Kolonisierung mit Deutschen darf grundsätzlich nicht als ein sog. "Drang nach Osten" betrachtet werden, da ungarische Könige und Grundherren diese Bauern und Handwerker ins Land gerufen haben. Sie gal­ten als Gäste/hospites. Sie wurden als solche behandelt und mit Privilegien belohnt. Schon seit dem frühen Mittelalter hatten viele ungarische Städte, auch die sogenannten "königlichen Freistädte", deutsches Bürgertum, welches gar oft die Mehrheit der städti­schen Bevölkerung stellte. Diese deutsche Bevölkerung spielte eine einflußreiche Rolle, nicht nur im Städtewesen, sondern in der Entwicklung von Wirtschaft, Handel und der Kultur Ungarns. Es entwickelte sich zudem ein sehr reichhaltiges deutsches Schrifttum als auch schöngeistige Literatur. Die älteste deutschsprachige Quelle stammt aus Preßburg von 1319. In der deutschen Sprachgeschichte wird diese Epoche als "Frühneuhochdeutsch" bezeichnet. Selbst die ungarische Sprache wurde mit deutschen Lehnwörtern bereichert.

Die Kontinuität des deutschen Elements blieb vom Mittelalter bis heute in denjenigen Gebieten erhalten, die nach der Niederlage bei Mohäcs/Mohatsch nicht unter die Herr­schaft der Türken gerieten.

2. Die Zipser Sachsen

Die Zips (slowakisch Spiws), eine Landschaft und ehemalige Sprachinsel in der Slowakei, südöstlich der Hohen Tatra, im Gebiet der oberen Popper (Poprad) und Hernad (Oberzips) und dem anschließenden Teil des slowakischen Erzgebirges.

Diese deutschen Siedlungen des Oberlandes (Felvidek) entstanden im 12. bis 14. Jahrhundert. Die Kolonisten kamen anfänglich aus dem Sudetengebiet und Schlesien, nachher vornehmlich aus Süddeutschland, insbesondere aus Bayern.

Die Zipser Sachsen bewohnten das Zipser Becken. Sie waren anfänglich Bauern und wandelten das zusammenhängende Zipser Waldgebiet in blühendes Ackerland. Bereits nach 100 Jahren entwickelte sich eine berühmte Textilindustrie mit regem Handel. Die Entdeckung von Erzlagern hatte die Enstehung einer Eisenindustrie zur Folge. Die sonst sparsamen Zipser hatten von jeher einen guten Sinn für städtische Kultur und die Künste. Die Bauindustrie war hochentwickelt. Die Kirchen wurden in stilreicher Gotik erreichtet, die öffentlichen Gebäude zeigen zumeist einen späteren Baustil, eine einzigartige Form der "Zipser Renaissance". Die wichtige Rolle der Zipser im Wirtschafts- und Kultur­leben des Donaubeckens ist nicht abzuleugnen.

Die Zips hatte 1939 etwa 170.000 Einwohner, vorwiegend Slowaken. Die ca. 36.000 Zipser Sachsen wurden 1946 ausgewiesen und mußten ihre angestammte Heimat verlassen.

3. Die Siebenbürger Sachsen

Siebenbürgen (rumänisch Transsilvania oder Ardead, ungarisch Erdely) ist eine geschicht­liche Landschaft in Rumänien. Im Altertum gehörte Siebenbürgen zum Reich der Daker. Im 2./3. Jahrhudnert nach Christus war es eine römische Provinz. Ende des 9. Jahrhunderts wurde es von den Ungarn unterworfen. Der madjarische Adel, die im 12. Jahrhundert ins Land gerufenen Siebenbürger Sachsen und die schon ansässigen "Szekler" bildeten die drei Nationen Siebenbürgens. Die Rumänen als vierte Nationa waren rechtlos.

Nach St. Stephans Tod war Ungarn über mehr als ein Jahrhundert der Schauplatz von verheerenden Kriegen und mehreren "Kreuzzügen", die aus dem Abendland zur Be­freiung des Heiligen Grabes in Jerusalem unternommen wurden.

König Geza IL, der 1141 den Thron bestieg, fand das Land in verwüstetem Zustand vor. Namentlich im Osten und Südosten waren die Grenzen gegen die wilden Horden der Kumanen ungeschützt. Zur Erhaltung der Krone "Ad retinendam coronam" rief König Geza IL deutsche Ansiedler in die Gegend jenseits des Waldes "Transsylvania" nach Siebenbürgen.

Das siebenbürgische Deutschtum, die "Sachsen" wurden zum größten Teil zwischen 1141-1161 von dem ungarischen König Geza IL eingeladen sich als Kolonisten niederzu­lassen. Die "Burzenlandischen Sachsen" (barcasägi szaszok) und die "Sachsen des Kö­nigsbodens" (kiralyföldi szaszok) stammen aus der Gegend von Aachen, Luxemburg, Trier und Metz, die "Nösnerländischen Sachsen" (besztercevideki szaszok) dagegen aus der Moselgegend. Diese drei siebenbürgischen Deutschtumsgebiete erhielten im 16.—18. Jahrhundert einen kleinen Zuwachs aus den ostmärkischen Regionen.

Was Geza IL begonnen hatte, setzte Andreas IL im Jahre 1211 fort, indem er den deutschen Ritterorden unter der Führung Hermanns von der Salza in das Burzenland, die Gegend von Kronstadt, rief. Zu den von den ersten Ansiedlern gebauten 7 Burgen kamen neue hinzu, darunter die Marienburg, Sitz der Ordensritter, so daß die Grenzen im Südosten sowie die Gebirgspässe stark befestigt wurden. Andreas IL kümmerte sich um das Schicksal der neuen Kolonisten in jeder Beziehung und schenkte ihren Klagen williges Gehör. Im Jahre 1224 stellte er ihnen einen Freibrief aus, den man den "golde­nen" nannte, weil er die Rechte und den Fortbestand des sächsischen Volkes sicherte.

Die Siebenbürger Sachsen*genossen seit ihrer Ansiedlung eine weitgehende Autono­mie. Diese Autonomie aller sächsischen Gruppen faßte später König Matthias zu einem einheitlichen Gefüge, dem "Universitas Saxonum" zusammen, das sich zu einer musterhaften Verwaltungs- und volkswirtschaftlichen Einheit entwickelte. Die Autonomie wurde von madjarischer Seite nie angetastet, dagegen wurde sie von Josef II. und in den fünf­ziger Jahren des 19. Jahrhunderts von der Wiener Regierung aufgehoben.

4. Gottschee

Eine deutsche Sprachinsel außerhalb des Stephansreiches

Nachdem deutsche Könige schon im 10. und 11. Jahrhndert den Erzbischöfen von Salzburg, Freising und Brixxen im Krain weitere Ländereinen übertragen hatten, kamen bereits deutsche Siedler ins Land, hauptsächlich Bayern.

Außerhalb des Königreiches Ungarn entsteht im Mittelalter nur im Krainischen Karst, auf dem sogenannten Hochland "Gottschee", eine bedeutende deutsche Sprachinsel des Südostens.

Graf von Ortenburg siedelte 1330 deutsche Bauern aus Tirol, Kärnten, Bayern und Franken auf dem bewaldeten Hochland der Gottschee an. Diese Siedler vollbrachten in kurzer Zeit eine ungeheuere Leistung im Waldroden und in der sich daraus entwickeln­den Holzverarbeitungsindustrie. Diese Industrie und Hausieren mit Holzwarenerzeug­nissen war in der Folgezeit eine ihrer wichtigsten Erwerbsquellen. Es entstanden insge­samt 170 Dörfer in der 1377 erstmals als "Mark Gottschee" benannten Region. Die Gottscheer haben im Laufe der Jahrhunderte eine festgefügte Gemeinschaft gebildet, die bis in die jüngste Zeit hineinreichte.

Jugoslawien wurde nach seiner Kapitulation 1941 von den deutschen Truppen auf­geteilt. Dabei kam das Unterkrain und die Gottschee unter italienische Oberhoheit.

Das III. Reich hat hernach mit den Italienern eine Vereinbarung getroffen, und die Gottscheer wurden 1942 umgesiedelt. Neben den ca. 15.000 Gottscheern wurden die 2.900 zerstreut lebenden Deutschen in Serbien und 18.300 Deutschen aus Bosnien ebenfalls ausgesiedelt.

5. Deutschtumsgebiete des Südostens außerhalb des donauschwäbischen Siedlungsraumes

a) Galizien

Galizien (Gau von Halicz), eine Landschaft am nördl. Abhang und im Vorland der Karpaten, die rund 80.000 qkm umfaßt mit 7,5 Millionen Einwohnern. Es gehört mit seinem westl.Teil zu Polen und mit dem Ostteil zum Gebiet der ehemaligen UdSSR (Westukraine).

Die Großflirstentümer Galiziens (Halicz) und Lodomerien [Wladimir] kamen seit dem Verfall des "Kiewer Reiches" an Ungarn und Polen, 1386 als Königreich Galzien an das polnisch-lituaische Reich.

Durch die Teilungen Polens 1772 und 1795 fiel Galzien an Österreich. In Galizien existierte bereits seit dem Mittelalter eine kleine deutsche Volksinsel (ca. 5.000), die aber allmählich im Polentum aufging. Nach 1772 kam es erstmals zu einer zahlenmäßig größeren deutschen Zuwanderung, hauptsächlich Städter, die bis in die Mitte des XIX. Jh. anhielt. Auch diese zwar größere Gruppe von Deutschen wurde weitgehend assimiliert.

Erst 1782 sandten staatliche Behörden (Wirtschaftsdirektion von Sandomir) den Werbeagenten Johann Leon nach Südwestdeutschland, um 300 deutsche Familien anzu­werben. Der Stein kam ins Rollen, und die staatl. Behörden förderten die Einwanderung, indem sie die in der Folgezeit etwa 13.000 eingewanderten Deutschen privilegierten. Fast 11.000 dieser Kolonisten stammten aus dem pfalzischen Raum. Eine bereits dichte "Vor­besiedlung" Galiziens machte die Erschließung von Ackerland beinahe unmöglich, und so mußte man zur Schaffung einzelner, über das ganze Land verstreuter "Mustersiedlungen" greifen. Diese hat auch Kaiser Joseph II. (1765-1790) sehr energisch unterstützt. Ein zwischen 1801 auf Drängen von Erzherzog Karl durchgeführter Versuch, die staatliche Förderung der Ansiedlungen wieder aufzunehmen, führte schließlich zu einigen "Ein-siedlungen" in ukrainische Dörfer. Tochterkolonisationen von weiteren Dörfern begannen gegen 1810. Alleringds waren diese Dörfer kleiner als die Stammdörfer. Von diesen Sied­lungen entfielen 46 auf das ukrainische Sprachgebiet und 4 auf das polnische. Die meis­ten davon befanden sich auf dem Landstreifen zwischen Dnjestr und Karpaten, so auch im Bezirk Dolinn (darunter Diamantheim), das als letzte pfalzische Tochtersiedlung ent­stand. Um die Jahrhundertwende bestanden insgesamt 249 junge Volksinseldörfer, von de­nen 1938 noch 131 existierten. Diese deutschen Siedler wurden von ihren Nachbarn als "svaba = Schwaben bezeichnet, zumeist in einer abschätzigen Manier.

Im Zuge der Oktoberrevolution erklärte sich die ukrainische Bevölkerung Ostgali-ziens zur Westukrainischen Republik. Nach dem Sieg polnischer Truppen wurde aber auch Ostgalizien 1923 Polen zugesprochen. 1939 wurde das von Sowjettruppen besetzte Galizien östlich des San Flusses in die Ukrainische Sowjetrepublik eingegliedert. Die Deutschen Galiziens wurden 1940 umgesiedelt. Dem Polnisch—Sowjetischen Vertrag von 1945, der Ostgalizien wieder an die Sowjetukraine brachte, folgte die Übersiedlung der polnischen Bevölkerung ins altpolnische Territorium.

b) Die Bukowina [Buchenland]

Es ist eine Landschaft am Nordosthang der Karpaten im rumänisch—russischen Grenz­gebiet, umfaßt 10.442 qkm mit 852.000 Einwohnern (Rumänen u. Ukrainer). Die Haupt­erwerbsquellen sind Land- und Waldwirtschaft. Hauptstadt ist Tschernowitz/Cernovicz.

Österreich erhielt die Bukowina infolge des Friedens von Kütschük-Kainardse (1775) zwischen Rußland und den Türken, u. zw. von den letzteren als Bundesgenosse der Russen. Nach einer 1776 durchgeführten Zählung wohnten 10.000 Familien­häupter, d. h. ungefähr 75.000 Personen, im Lande. Die Einwohnerzahl stieg von 125.000 in 1786, bis auf 511.964 in 1869. Neben den alteingesessenen Völkergruppen, Rumänen, Polen und Juden, lebten auch noch ander Splittergruppen hier wie Ukrainer oder Zigeuner.

Die Ansiedlung des Deutschtums in der Bukowina fällt in die Kolonisationszeit des XVIII. und XIX. Jahrhunderts. Die geringe Untertanenlast und die bis 1830 bestehende Wehrpflichtfreiheit zogen Siedler aus Galizien und der Moldau an, wo das Bauerntum stark gedrückt wurde. Die Zahl der Abwandernden blieb gering. Die ersten schwäbi­schen Bauernfamilien kamen 1872 aus dem Banat in die Bukowina. Diese etwa 20 Familien wurden in rumänischen Dörfern (Rosch, Molodia, Molodia, Mitoka-Dragomirna u. Zucka) untergebracht. Oft mußten sie sich aber der recht eigentümlichen Agrarverfassung beugen, die individuellen Grundbesitz nicht kannte, sondern alljährlich (Frühjahr) Grundstücke verteilte. Dabei hat man die deutschen Kolonisten häufig über­vorteilt, bis die Agrarverfassung abgeschafft wurde (1835). Die Bukowina wurde 1787 Galizien angegliedert und daraufhin wurden viele nach Galizien strebende Deutsche in die Bukowina weitergeleitet. 1778 kamen bereits 74 evangelische deutsche Familien aus Galizien in die Bukowina und wurden auf verschiedene Kolonien verteilt. Eine zweite Gruppe bildeten die deutschen, überwiegend Zipser Arbeitersiedlungen im Gebirgsland, die gegründet worden waren, um Bodenschätze zu erschließen. Eine weitere dritte Gruppe deutscher Ansiedler stammte aus dem Böhmerwald. Es waren teils Glashüttenarbeiter, teils Bauern. Dadurch konnten 1793 und 1797 Glashütten errichtet werden. Die deutsch-böhmischen, fast ausschließlich katholischen Bauernsiedlungen entstanden erst nach 1835. Obwohl das Los dieser Kolonisten hart war, konnten sie sich in den selbständigen Gemeinden freier entfalten, als es in den schwäbischen Siedlungen möglich war. Neben den von staatlichen Stellen gegründeten Siedlungen (Bori 1835, Lichtenberg 1835), wurden auch einige private deutsche Siedlungen angelegt (Glitt 1843, Augustendorf 1850). In einer Reihe bestehender Dörfer entstanden deutsche Minderheiten, z. B. Adamcate, Stanestie und Jadova. Die Bauerndörfer in den Ebenen waren durch ihre Wirtschaftslage lebensfähiger als die Gebirgsdörfer. Mit der Besitznahme des Landes kamen neben der planmäßigen Kolonisation zahlreiche Städter aus ganz Österreich. Insbesondere die Hauptstadt Tschernowitz wurde von diesem Zuzug von Beamten, Handwerkern und Kauftleuten erfaßt und erhielt somit einen ho­hen Anteil deutscher Bevölkerung.
Die B. war seit dem 16 Jh. türkisch, wurde 1775 österreichisch, fiel 1919 an Rumä­nien, das 1940 den nördl. Teil an die UdSSR abreten mußte, den es 1941 mit deutscher Hilfe urückgewann, aber 1944 wieder verlor. Das Deutschtum der B. wurde d. d. Hitler-Regime 1941 evakuliert.

c) Deutsche Südostsiedlungen außerhalb der Donaumonarchie und des Stephansreiches

Bessarabien

Bessarabien ist eine fruchtbare Landschaft in Südrussland zwischen dem Schwarzen Meer, Dnjestr, Pruth und der unteren Donau. Es umfaßt 44.422 qkm mit etwa 3,1 Einwohnern (Rumänen, Russen und Bulgaren). Die hauptstadt ist Kischinev.

Bessarabien war bis 1812 türkisch, bis 1918 russisch, dann rumänisch (der Süden schon 1856 bis 1878); im Juni 1940 erreichte die Sowjetunion die Abtretung des Landes, das 1941 von Rumänien mit deutscher Hilfe zurückgenommen 1944 erneut von Sowjet­truppen besetzt wurde.

Die deutsche Besiedlung Bessarabiens

Nachdem die Provinz durch den Frieden von Bukarest an Rußland gefallen war, wandte sich Zar Alexander I. in einem Manifest vom 29. November 1813 in erster Linie an die deutschen Kolonisten im Herzogtum Warschau und sicherte ihnen bei einer Ein­wanderung nach Bessarabien Religionsfreiheit, Befreiung von Kriegsdienst, zehnjährige Steuerfreiheit, 60 Desjaten = 60 Hektar Land für jede Familie und Finanzierung für den Hausbau zu. Die hierbei angesprochenen Kolonisten waren etwa um 1800 überwiegend aus Südwestdeutschland in den damals preußischen Teil Polens eingewandert und hatten sehr unter den Kriegswirren gelitten. Das Manifest des Zaren wurde von ihnen daher sehr günstig aufgenommen. Schon 1814 kamen unter Leitung russischer Werber die ersten Einwanderer nach Bessarabien, denen in den darauffolgenden Jahren teilweise unmittel­bar aus Süddeutschland und Württemberg weitere Kolonisten folgten. Mit den 1814 angelegten Kolonien Borodino und Tarutino wurden bis zur Einstellung der staatlichen Siedlungstätigkeit 1842 insgesamt 24 Kolonien mit deutschen Siedlern gegründet. In der folgezeit ließ der Zustrom merklich nach, und die seit 1818 entstehenden Kolonien hat­ten weniger Einwohner als die zuerst angelegten. Die Siedlungsbehörde befaßte sich mit der Ordnung und dem Ausbau der Selbstverwaltung in den neugegründeten Kolonien. Jede Gemeinde erhielt sofort nach der Gründung ein Schulzenamt oder Schulzengericht, das aus dem Dorfschulzen und zwei Beisitzern (Beamten) bestand, die von der Gemein­deversammlung gewählt wurden. Schon bald nach dem Ende der Anlage der neuen Kolonien machte sich bei den Siedlern Landmangel bemerkbar, der seit der Gründung von Josefsdorf (1851) dazu führte, daß insgesamt 40 weitere Siedlungen entstanden. Zu Beginn des 20. Jh. konnten die deutschen Bauern nochmals neuen Grundbesitz erwerben und darauf einige neue Kolonien in den jähren 1905—1914 gründen.
Die ca. 93.000 Deutschen Bessarabiens wurden 1940 zum größten Teil ausgesiedelt oder verschleppt.

d) Dobrndscha

Dobrudscha (rumänisch Dobrogea), ist die Landschaft zwischen der unteren Donau, dem Donaudelta und dem Schwarzen Meer. Es umfaßt ca. 23.262 qkm mit 800.000 Einwohnern. Die Hafenstadt Konstanza ist die Hauptstadt. Die Dobrudscha gehörte im Altertum zur römischen Provinz Mösien. Sie war ab 679 bulgarisch, von 1396 bis 1878 türkisch, kam dann größtenteils an Rumänien, das 1913 und wieder nach dem I.Welt­krieg von Bulgarien auch die Abtretung der südlichen Dobrudscha erzwang; jedoch gab es diese 1940 an Bulgarien zurück.

Durch den Frieden von San Stefano 1878 kam der Nordteil der Dobrudscha an Rußland. Das Zarenreich tauschte die Dobrudscha danach für früher verlorene Gebiete Bessarabiens an Rumänien ein. Das früher dünnbesiedelte Steppengebiet ist heute von einer Ackerbau und Viehzucht betreibenden, bunt zusammengesetzten Bevölkerung (Rumänen, Bulgaren, Tataren und Türken) bewohnt.

Die Besiedlung mit Deutschen begann ohne staatliche oder private Förderung. Zu­nächst wanderten unzufriedene Bauern aus Bessarabien ein. Auch Bauern aus Südrußland verließen ihre Gebiete wegen Landmangel seit 1840. In der nördlichen Dobrudscha wurde 1843 die ältetste deutsche Kolonie gegründet. Eine Gruppe von deutschen ließ sich vorübergehend im türkischen Ort Akpunar (1842-1848) nieder und eine andere in Tulcea, einen eigenen Stadtteil bildend. Eine weitere Kolonistengruppe hatte in Beceni (bei Plojesti) in der Walachei die deutsche Siedlung Blumendorf gegründet, die aber bald wieder aufgegeben wurde. Der Gouverneur von Braila, Oberst Arnold von Jakobson, siedelte viele dieser Siedler in der Nähe der Stadt als Pächter an. Die Niederlassung er­hielt 1844 den Namen Jakobsontal. Bei Altmagea entstanden schon früher einige evan­gelische Dörfer. Aussiedler aus diesem Ort und Jakobsontal gründeten 1857 das Dorf Ciucorova. Als 1871 die den Deutschen Bauern verbürgte Freiheit von der Heeres­dienstpflicht in Rußland aufgehoben wurde, begannen diese Bauern auszuwandern. Die dem Aufgebot von 1873 unterliegenden deutschen Jungbauern wanderten in die Dob­rudscha aus und gründeten die beiden Dörfer Cogealac und Tariverde. Teile von den Rußlandauswanderern siedelten in Fachria. Der Russisch—Türkische Krieg ließ sie aber nach Cogealac flüchten. Sie kehrten jedoch Anfang der 80-er Jahre zurück und bauten ihr altes Dorf wieder auf. Die enge Verbindung dieser Kolonisten zum bessarabischen Bauerntum blieb erhalten.

e) Die Deutsche Besiedelung Kusslands

Zarin Katharina II. von Russland wirbt um deutsche Kolonisten

Diese deutsche prinzessin, Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst vermählte sich 1745 mit dem späteren Zaren Peter III.; ihre Regierungszeit währte von 1762 bis 1796.

Um den Aufschwung des Landes zu fördern sowie die brachliegenden Steppen zu kul­tivieren, erläßt die Zarin am 4. 12. 1762 ein Manifest. Darin lud sie deutsche Bauern und Handwerker ein, sich in Russland niederzulassen.

Erst ein zweites Manifest 1763 zeitigte die gewünschten Erfolge. Man gewährte dabei den Siedlern gewisse Privilegien, u. a. die Befreiung vom Militärdienst und Selbstverwaltung.

Zwischen 1763 und 1767 kamen etwa 30.000 Kolonisten nach Russland, vornehmlich aus Württemberg, Hessen, aus dem Elsaß, der Pfalz und der Schweiz. An die 27.000 von ihnen wurden im Wolgagebiet, andere in der Nähe von Saratow und in der Steppe des Kirgisengebietes engesiedelt. Sehr harte Anfangsschwierigkeiten führten zu einem Rück­gang von neuen Siedlern.

Erst Anfang 1780 kamen neue Siedlungswellen und die deutschen Kolonien ver­mehrten sich zusehends. 1793 wurde die Hafenstadt Odessa gegründet. Dabei enstanden viele deutsche Niederlassungen im Schwarzmeergebiet. Mit der Zunahme von Sied­lungen wuchs auch die Zahl der Russlanddeutschen.

Der Enkel der Zarin Katharina IL, Zar Alexander L, (1801—1825) setzte die Siedlungs­tätigkeit mit voller Unterstützung der Kolonisten fort.

Unter späteren Zaren hatten die deutschen Kolonisten oft zu leiden. Durch Kriege än­derte sich das politische Klima oft zuugunsten der Russlanddeutschen. Eine Auswande­rungswelle nach den USA setzte ein.

1861 zählte man ca. 218.000 deutsche Einwohner in Russland, und 1914 waren es bereits 600.000 in ca. 204 Dörfern.

Die Rote Revolution 1917 brachte drastische Änderungen. Noch gewährten die Sow­jets 1924 den Wolgadeutschen eine autonome sozialistische Sowjetrepublik. (Es war die größte deutsche Volksgruppe der UdSSR.) Nach einer Volkszählung von 1926 gab es Ansiedlungen in folgenden Gebieten der Sowjetunion wie Russland, die Ukraine, Weiß­russland, Transkaukasien, Turkmenien und Usbekistan mit einer Gesamtzahl von 1.236.549 Deutschen. Hierzu sei vermerkt, daß die Sowjetstatistiken oft nur zu Propagandazwecken publiziert wurden und somit unzuverläßig sind. Nach vorsichtiger Schätzung sollen in der Sowjetunion etwa 3 Millionen Volksdeutsche gelebt haben.

Der Ausbruch des Krieges zwischen dem III. Reich und der UdSSR 1941 signalisierte die tragische Wendung des Schicksals der Russlanddeutschen. Wenn sie schon in Zaren­zeiten oft Verfolgung und Leid ertragen mußten, so kam jetzt die größte Tragödie über diese Volksgruppe.

Nach zahlreichen Hinrichtungen unschuldiger Menschen wurden diejenigen, die den unmenschlichen Terror überlebten, von ihrem Wohngebiet ausgewiesen und in den Osten der UdSSR deportiert. Hier wurden sie in Zwangsarbeitslagern weiter drangsaliert, und abermals Tausende mußten ihr Leben lassen wegen der unmenschlichen Zustände.

Stalin hat die Autonome Wolgarepublik praktisch aufgehoben 1941. Ein Teil der Russlanddeutschen wurde vor der Deportation durch den schnellen Vormarsch der deutschen Truppen gerettet. Fast alle dieser Heimatlosen, die nach Kriegsende im Macht­bereich der Sowjets aufgegriffen wurden, hat man teilweise sofort hingerichtet oder nach Sibirien verbannt.

Obwohl eine beträchtliche Anzahl von ihnen im Westen untertauchen konnte, so leben heute noch viele Volksdeutsche im Bereich der ehemaligen Sowjetunion. Obwohl sie in der Verbannung in Sibirien, in Kasachstan ihre Sprache noch zu erhalten ver­mochten, z. T. auch deutschprachige Zeitungen erschienen, ist eben eine geschlossene Ansiedlung seit 1941 nicht mehr in Existenz.

Ihre Anzahl wird auf ca. 2 Millionen geschätzt.

Viele möchten nach Deutschland zurückwandern, doch andere würden gerne bleiben, falls eine spezielle Region für eine neue Ansiedlung zur Verfügung stünde.

Deutschland ist mit Flüchtlingen überflutet und wünscht keine Rückwanderer in größerer Anzahl. Das Grundgestz garantiert aber das Staatsbürgerrecht für alle Volksdeutschen.

Auch ist die Bundesregierung bestrebt, den Auslandsdeutschen zu helfen. Dies ge­schieht durch finanzielle Hilfe und Verhandlungen, um die Rechte dieser Volksgruppen im Ausland wieder herzustellen. Es sind schon einige positive Resulatate erzielt worden, und es kam zu gewissen Vereinbarungen zwischen Russland, der Ukraine und der Bundesrepublik. Ein Vertrag wurde bereits 1992 unterzeichnet, der in der Wolgagegend wieder eine Autonome Region schaffen soll, zu welcher alle Russlanddeutschen Zugang haben sollen, um sich wieder niederzulassen.